Praktikum als Berufseinstieg – Ausbeutung oder Chance?

Lehrabgänger und Studienabgänger, die mit der Ausbildung fertig sind, stehen vor dem oft bekannten Problem, eine passende Stelle zu finden und in der Arbeitswelt Fuss zu fassen. Die fehlende Berufserfahrung macht es für die Betroffenen schwierig, eine passende Anstellung im gewünschten Berufsbereich zu finden. Um Praxiserfahrung zu sammeln oder unerwünschten Lücken im Lebenslauf zu überbrücken, wird immer häufiger ein Praktikum absolviert. Aber auch für Quereinsteiger lohnt sich diese Möglichkeit.

Welche Chancen und Risiken bietet ein Praktikum?

Das Praktikum ist eine gute Sache, denn ein «Praktika» soll dabei helfen, sich Fähigkeiten und Wissen anzueignen. Selbst für Quereinsteiger, die in eine völlig neue berufliche Richtung gehen möchten, eröffnen sich mit einem Praktikum weitere Möglichkeiten und Chancen, den perfekten Job zu finden.  Zudem bietet es den Unternehmen einen erheblichen Mehrwert. Die Arbeitgeber werten es positiv, wenn die Bewerber bereits Praxiserfahrung gesammelt haben.  

Studienabgänger oder Quereinsteiger kommen fast nicht darum herum, ein Praktikum zu machen. Denn es bietet grosse Chancen, mit einem oder mehreren Praktika eher zu einer Anstellung zu kommen. Mit dem Praktikum erhält man tiefe Einblicke in eine Branche oder eines Unternehmens. Neue, wertvolle Kontakte können dadurch entstehen, und wie bereits erwähnt, bringt ein Praktikum den Beruf kennenzulernen und praktisch umzusetzen.

Natürlich gibt es auch Nachteile. Ein Praktikum ist gesetzlich ein «befristetes Arbeitsverhältnis», und nicht schweizweit einheitlich geregelt. Die Generation Praktikum läuft Gefahr, in pragmatische Arbeitsverhältnisse angestellt und massiv ausgenutzt zu werden. Wer sich vertraglich nicht gut absichert, ist oft von Ausbeutung betroffen. Sie müssen mit einem deutlich schlechteren Lohn auskommen, oder die Arbeit ist für den Praktikant unterfordernd oder überfordernd. Da heisst, eine stressige Arbeit für einen Hungerlohn. Der nötige Einblick in den Beruf bleibt auf der Strecke, die dazu gelernten Fähigkeiten können kaum für das Berufsleben richtig eingesetzt werden. Auf gut Deutsch: Billige Arbeitskräfte. Daher ist es wichtig, dass alles vertraglich gut geregelt und der Arbeitgeber seriös ist.

Doch wer ist die «Generation Praktikum»? Damit sind Hochschulabsolventen, aber auch jüngere Menschen im Alter von 16 bis 25 Jahren gemeint. Ein Praktikum sollte daher gut ausgewählt werden, denn es gibt viele schwarze Schafe von Praktikumsanbietern. Also Augen auf bei der Praktikumswahl.

6 Tipps für die Vorbereitung auf ein Praktikum

Die Suche für die richtige Praktikumstelle zu finden ist nicht immer eine einfache Angelegenheit. Daher bieten wir 6 Tipps, worauf es dabei ankommt.

Die richtige Wahl für das richtige Praktikum

Als erstens ist es wichtig, sich selbst die Frage zu stellen, was für ein Praktikum will man? In welcher Branche soll es sein? Wie und wo kann ich meine eigenen Interessen und Fähigkeiten umzusetzen?

Wo suchen nach einem Praktikum?

Es gibt Praktikumsanlaufstellen, wir haben hier eine kleine Auflistung:

Wer sein Glück mit Spontanbewerbungen bei Unternehmen versuchen möchte, sollte zunächst einmal das Unternehmen kontaktieren und anfragen, ob tatsächlich ein Praktikum angeboten wird.

Wo soll das Praktikum stattfinden – Inland oder Ausland?

Weiter ist zu klären, wo das Praktikum stattfinden soll. Im Inland oder doch besser im Ausland? Müssen die Sprachkenntnisse aufgefrischt oder vertieft werden? Es müssen einige Hürden genommen werden, bevor es tatsächlich zu einem Praktikum kommt. Denn zuerst einmal muss eine gründliche Vorbereitung stattfinden, die die nötigen Visa, Arbeitsbewilligung, Unterkunft.

Wie lange soll das ganze dauern?

Das Praktikum sollte nicht länger als 6 Wochen oder maximal ein ganzes Jahr andauern. Wird die Dauer des Praktikums mehrfach verlängert, ist dies in der Schweiz nicht zulässig und gilt als «Kettenarbeitsvertrag», und da wird in der Schweiz als illegal eingestuft.

Lohn während des Praktikums

Die Praktikumslöhne können je nach Branchen variieren und so nicht generell eingestuft werden. Sicher ist, dass einige Praktikanten ca. 900 CHF pro Monat verdienen, doch abhängig von Ausbildung und Weiterbildung kann es auch deutlich mehr sein. So kann beispielsweise ein ETH-Student ein super Lohn bis zu 3’700 CHF verdienen. Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass der Praktikant unentgeltlich arbeitet.

Der Praktikumsvertrag, wie sieht es damit aus?

Ein Praktikum sollte unbedingt vertraglich geregelt sein, und nicht nur mündlich oder durch WhatsApp Nachrichten kurzgefasst beschrieben werden. Wichtig ist, das folgendes in einem Arbeitsvertrag für ein Praktikum vollständig hinterlegt ist:

  • Wie lange dauert das Praktikum
  • Die Arbeitszeiten sind klar definiert
  • Ferien und freie Tage sind geregelt
  • Auszahlung einer Ferienentschädigung, sollte es keine Ferien geben
  • Wer sind die Betreuungspersonen und Begleitpersonen, die für den Praktikanten zuständig sind?
  • Lohn, Sozialversicherungsprämien, Unfallversicherung sind auf der Lohnabrechnung
  • Inhalt und Tätigkeiten während des Praktikums
  • Rechte und Pflichten
  • Auflösung des Arbeitsverhältnisses bei Streitigkeiten
  • Nach Beendigung des Praktikums erhält der Praktikant ein Arbeitszeugnis
Die Sozialindustrie als Missbrauchsfalle

Auch Menschen, die in der Sozialindustrie in einem Praktikum beschäftig sind, können von Missbrauch betroffen sein. Die Unternehmen profitieren durch den Vertrieb eigener Dienstleistungen und Produkte, andererseits erhalten diese Unternehmen öffentliche Gelder wie beispielsweise von der Invalidenversicherung. Der eingehende «Praktikant» läuft Gefahr ausgenutzt zu werden. Mit Versprechungen wie «Am Ende des Praktikums wird eine Festanstellung in Aussicht gestellt.» Was wiederrum oftmals nicht der Wahrheit entspricht. Und die Bezahlung ist minimal, wenn überhaupt ein Lohn gezahlt wird.

Die Sozialindustrie bietet Praktikumsangebote an, die mit prekären Bedingungen verknüpft sind. Wie unter anderem eben «unentgeltlich» zu arbeiten. Für Unternehmen, die eine kostengünstige «Arbeitskraft» suchen, ist dies ein sehr verlockende Möglichkeit, ein Praktikant einzustellen. Und wenn dieser sogar noch unentgeltlich arbeitet, so haben sie ein kostenloser «Büezer», der befristet angestellt ist. So können die Firmen viel Umsatz erwirtschaften, und die betroffene Person, also der Praktikant, geht leer aus.

Selbst mal ein Opfer von Praktikumsmissbrauch geworden?

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Autor: Raphael



2 Kommentare

  1. Max
    24. Januar 2022

    Bin ein Langzeitarbeistloser (ausgesteuert), da meinte die von der Arbeitsintegrationsstelle, ich solle ein Praktikum absolvieren über eine Praktikum vermittlungs Firma. Den grund den sie mir angab, war das ich dadurch ein neues Frisches Arbeitszeugnis bekommen würde, und ich dass dann in meinem Lebenslauf auflisten könne, und ich somit sicherlich eine bessere chance auf dem Arbeitsmarkt hätte.Zwar war ich nicht davon sehr überzeugt, aber aus angst von Finanziellen Sanktionen seitens der Sozialhilfe, habe ich zugestimmt. Ich habe danach ein 3 Monatiges Praktikum in einer Druckerei absolviert, unentgeltlich, viel gelernt habe ich dort eigentlich nicht, war mehr «mädchen-für-alles». Nach diese 3 Monaten wollten sie, dass ich nochmals 3 Monate machen solle, ich habe mich aber geweigert. Die von der Praktikumsfirma haben zwar starken druck ausgeübt, aber ich bin standhaft geblieben.Anstatt mir, wie im 330a OR vorgeschrieben, ein Arbeitszeugnis auszustellen, hatten sie mir nur eine Arbeitsbestätigung ausgestellt.Ich fiel aus allen Wolken, dass kann doch nicht sein, ich arbeite hier für Lau, und dann händigt man mir ein stück papier aus, mit dem ich nichts anfangen kann. Ich musste danach mit einer Anzeige drohen, weil die vom Sozialamt und auch die von der Praktikums Firma, mir nicht unterstüzten wollten.Ich habe danach doch noch ein Arbeitszeugnis bekommen, aber stellen sie sich vor…Ich bin immer noch auf stellensuche, und das ist jetzt schon 2 jahre her.Meines erachtens ist ein Praktikum dann sinnvoll, wenn man ein Studium, wie oben von ihnen beschrieben, absolviert hat, und bringt eigntlich, einem 50 j. Ausgesteuerten nichts. Letzte woche kam die von der Arbeitsintegration von der Sozialhilfe, schon wieder mit einem solchen Furz hinter dem Ofen hervor, ich hatte ihr dan geradeaus gesagt das ich keine lust hätte, für gratis arbeiten zu gehen, da kam schon der «Sozialhilfe-Sanktions-Todesblick»!Jetzt muss ich mir eine Strategie ausdenken um aus diesem Praktikums-Schlamassel zu befreien, ohne Sanktioniert zu werden.Freundliche Grüsse Max

    • Raphael
      4. Februar 2022

      Guten Tag Max

      Ein Praktikum soll dabei helfen neue Fähigkeiten zu erlernen und den Lebenslauf mit einem Arbeitszeugnis aufzuwerten. Damit der Bewerber auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen hat und Fachliches Wissen sich aneignen kann. Bedauerlicherweise sind Praktikums die bei Sozialindustrie angeboten werden, nicht immer als positiv zu werten.

      Viel zu oft wird nur Missbrauch betrieben wie das Parade Beispiel bei Ihrem Fall aufzeigt. Es trifft oftmals die Schwächeren in unsere Gesellschaft. Solche Institutionen werden vom Staat gefördert, so dass solche Missstände entstehen können. Das müsste unbedingt angepasst werden. Damit es künftig einen Mehrwert und einen Nutzen bietet.

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